Review< Zurück 26.01.2011

Die Beschissenheit der Dinge

Von Nick Gruber

'Daheim ist daheim' bzw. 'Was passiert, wenn der Stamm auf den Apfel fällt?'. Was hier fabriziert wurde ist keine kleine Millieustudie. Die Beschissenheit ist geradezu von epischen Außmaßen.

Es ist tatsächlich ein seltsamer Ort, den der erfolglose junge Autor Gunther Strobbe (Valentijn Dhaenens) beschreibt. Er erzählt, wie er als 13jähriger (Kenneth Vanbaeden) im Haus seiner Großmutter aufwächst - zusammen mit seinem Alkoholiker-Vater Celle (Koen De Graeve) und seinen drei Onkeln: Beefcake, Petrol und Koen. Auch alles Alkis. Alle vier haben ihr bisschen Geld auf den Kopf gestellt, und liegen jetzt der lieben alten Mutti auf der Tasche (und deren Herz ist größer als ihre Pension). Beefcake musste zu Beispiel schmerzhaft feststellen, dass die kleinen einarmigen Banditen in den Bars nicht von Gutmenschen und Altruisten gebaut worden sind.

Woher kommt da das notwendige Selbstwertgefühl? Zunächst trägt jeder den Namen Strobbe wie einen Ehrentitel. Alle wissen, dass sie spektakulärer feiern können als der Durchschnittsbürger. Zusätzlich gibt es einen familienweit gut ausgeprägten Ehrgeiz was die Fähigkeit angeht, große Mengen an Alkohol vernichten zu können - z.B. beim Biertrink-Contest oder der Tour-de-France als Sauf-Brettspiel wo es Whiskey und Schnaps Etappen zu meistern gilt. Lediglich Papa-Celle sieht sich selbst eher als Gesellschaftstrinker, nicht als ein kompetitiver Säufer. Und das obwohl er bei den Contests im Publikum en passant wahrscheinlich mehr Alkohol vernichten konnte, als jeder der Athleten. Überhaupt war er stets für jeden Spaß zu haben. Entweder als Postler beim legendären Nacktradrennen, oder beim Schwängern von Gunthers Mutter. Willkommen bei den Strobbes.

Wie der Vater, so der Ton

Selten war innerfamiliäre Gewalt derart nachvollziehbar dargestellt. Obwohl Gunther bei jedem kleinen Problem von seinem Vater verbal gescholten wird, ist es das Ehrgefühl, das den Jungen zum Papa stehen lässt. Man ist Strobbe - man ist kein Verräter.

Die Dame vom Jugendamt kommt vorbei und der Vater liegt oben im Bett und kann sich vor Schüttelkrämpfen kaum rühren. Gunther verabreicht das Frühstücksschnapserl und zündet die Beruhigungszigarette. Schon ist der Alte wieder in der Lage großmündig alle anderen und die Welt für das eigene Unheil verantwortlich zu machen. Viel Platz für eine sorgenfreie Kindheit bleibt da nicht. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm? Vielleicht. In erster Linie ist hier der alte Stamm auf den jungen Apfel gefallen.

Ein Kompliment an Romanautor Dimitri Verhulst, Drehbuchautor Christophe Dirickx und Regisseur Felix Van Groeningen. Die legendäre Klamauk-Assi Familie Flodder hat nun ein realistischeres Pendant bekommen. Eine Art Epos des kleinen Mannes wie er wirklich ist. Nicht bieder, sondern ignorant und frustriert. Strobbe steht nun für alles Ranzige in der spätkapitalistischen Familiengestaltung.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2009
  • Länge: 108 min
  • Regie: Felix Van Groeningen
  • Drehbuch: Christophe Dirickx , Felix Van Groeningen, Dimitri Verhulst (Romanvorlage)
  • Darsteller: Kenneth Vanbaeden, Valentijn Dhaenens, Koen De Graeve, Wouter Hendrickx, Johan Heldenbergh
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

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